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Bücher im Bücherregal - ein gutes Leben durch gute Bücher und intensive Lektüre

Im Kapitel 36 von Rolf Dobellis Buch „Die Kunst des guten Lebens“ schlägt er vor, weniger Bücher zu lesen, aber dafür gründlicher und die Bücher wenigstens zweimal zu lesen.

Dobelli erwartet von der Lektüre eines Buches mehr als nur den Genuss des Lesens. Er erwartet, dass Bücher „Spuren im Gehirn“ hinterlassen. „Spuren im Gehirn“, der Ausdruck fasziiert mich. Und damit Bücher das tun, sollten wir nur gute Bücher lesen und diese dafür intensiver, nämlich zweimal. Dobelli nennt das „radikal selektiv“ sein.

Doch wie soll das genau funktionieren? Ich habe für euch nachgelesen und getestet…

Bücher-Obergrenze festlegen: radikal selektiv

Laut Dobelli sollten wir festlegen, wie viele Bücher wir pro Jahr lesen wollen und diese Zahl dann nicht überschreiten. Er selbst liest durchschnittlich 10 Bücher im Jahr. Was er für einen Schriftsteller als extrem wenig empfindet. Ich habe gerade mal bei mir nachgesehen. Von etlichen Fachbüchern abgesehen, die ich oft auch nur durchscanne, habe ich dieses Jahr ungefähr 12 Romane gelesen, davon zwei das zweite Mal. Doch davon später. Und ungefähr sechs Fachbücher, die ich allerdings aus beruflichen Gründen oft punktuell benötige und wie gesagt, oft nur durchscanne bzw. mir bestimmte Kapitel herauspicke. Habe ich laut Dobelli also schon zu viel gelesen für ein gutes Leben? Oder bin ich noch im grünen Bereich?

Viel mehr Wirkung für ein gutes Leben durch doppeltes Lesen

Dobelli behauptet, dass bei zweimaligem Lesen desselben Buches der Wirkungsgrad nicht der doppelte ist, sondern ein Vielfaches höher liegt. Es geht darum, in ein Buch wirklich einzutauchen, um etwas für ein gutes Leben mitzunehmen.

Tja, mal ganz ehrlich, wie viel behalten wir wirklich beim Lesen von Büchern? Was lernen wir daraus? Ich finde schon auch, dass ein gutes Buch idealerweise auch langfristige Auswirkungen auf unser Leben haben sollte, also Spuren im Gehirn hinterlassen sollte. Es sollte uns anregen, neue Perspektiven einzunehmen, etwas von einer anderen, neuen Seite zu sehen und zu reflektieren. Und damit dazu beitragen, ein reicheres Leben zu führen.

Dies gilt meiner Meinung nach nicht nur für Sach- und Fachbücher, sondern auch für Romane. Ein guter Roman transportiert oft eine Philosophie, ein Fazit, einen neuen Blickwinkel auf das Leben im Allgemeinen und die Dinge, die uns im Leben passieren können.

Eigene Gedanken zum „radikal selektiv“ sein

Vor einigen Jahren habe ich mein Bücherregal ausgemistet und kistenweise Bücher weggegeben. Ich habe nur die Bücher behalten, die einen bleibenden Eindruck hinterlassen hatten, die ich vage als „gute Literatur“ einstufte und vielleicht noch einmal lesen wollte. Das Ausmisten geschah hauptsächlich aus dem Grund des Platzmangels. Wohin mit den vielen Büchern, wenn man von Kind auf eine Leseratte ist? Doch hatte das Ausmisten auch einen reinigenden Nebeneffekt, den ich auf jeden Fall einem guten Leben zuschreiben würde. Vielleicht sollten wir alle ab und an einmal bei uns ausmisten – nicht nur bei den Büchern. Aber das wäre wieder ein anderes Thema.

Radikal selektiv war ich beim Ausmisten meiner Bücher, jedoch nicht unbedingt genauso radikal beim Auswählen der neuen Bücher, die ich seitdem meist als E-Books lese. Die Anzahl der Bücher, die ich seitdem lese, hat eher zugenommen. Und um ehrlich zu sein: Bisher habe ich nur ganz wenige meiner Bücher doppelt gelesen.

Ausnahmen von der Regel „radikale Selektion“ und „zweimal lesen“

Dobelli findet jedoch auch, dass es Ausnahmen von der Regel des Doppeltlesens gibt: nämlich Krimis und Thriller. Da, wo Spannung das wichtigste Kriterium für das Buch ist, haben wir beim Doppeltlesen natürlich ein Problem. Da wir das Ende schon kennen.

Andererseits geht es mir oft so, dass ich mich gerade an das Ende eines Buches nicht mehr mehr so gut erinnern kann, und so könnte für mich selbst die Spannung ähnlich hoch sein beim nochmaligen Lesen wie bei der ersten Lektüre, zumindest nach einem gewissen Zeitraum.

Die weitere Ausnahme hat laut Dobelli etwas mit unserem Alter zu tun. Wenn wir noch jung sind, ungefähr bis zum Alter von 30 Jahren, sollten wir nach Dobelli dann doch so viele Bücher wie möglich verschlingen. Das hilft, unser Urteilsvermögen zu schärfen, das wir ja benötigen, um später radikal selektiv zu sein.

Uff, da habe ich wenigstens bis 30 nichts falsch gemacht im Leben. Doch im Moment hätte ich laut Dobelli trotzdem noch Optimierungsbedarf, um durch gute und intensive Lektüre ein besseres Leben zu führen.

Selbsttest: Zwei Bücher doppelt gelesen

Von Dobelli angeregt habe ich mir 2019 vorgenommen, einige Bücher noch einmal zu lesen, statt ein neues Buch zu kaufen. Mein analoges und digitales Bücherregal bieten zusammen genügend Lektüre.

Die Wand von Marlen Haushofer

Inspiriert von der Verfilmung des Romans von Marlen Haushofer, welche ich leider nicht gesehen hatte, habe ich das Buch „Die Wand“, das ich Mitte der 90er Jahren gelesen hatte, nun, mehr als 20 Jahre später, noch einmal gelesen. Und was ist passiert?

Wie damals hat mich die Geschichte wieder in den Bann gezogen. Ich konnte mich auch gar nicht mehr an das Ende erinnern. Die Erzählung hat etwas Beklemmendes und zieht mich in die Geschichte wie ein Sog. Sie hat auch ein eher offenes Ende, an das man sich deshalb noch 20 Jahren vielleicht nicht mehr genau erinnert. Wenn ich jetzt, einige Monate, nachdem ich das Buch zum zweiten Mal gelesen habe, an die Geschichte denke, nehme ich mir gleich vor, es noch ein drittes Mal zu lesen. Denn ich kann mich an vieles schon jetzt gar nicht mehr genau erinnern…

4 3 2 1 von Paul Auster

Das andere Buch, das ich nach ca. einem Jahr noch einmal gelesen habe, ist: „4 3 2 1″ von Paul Auster mit mehr als 1000 Seiten. Schon beim ersten Lesen hat mir das Buch extrem gut gefallen. Es geht darum, wie ein Leben unterschiedliche Bahnen nehmen kann, je nachdem, was die äußeren Umstände sind. Welche Zufälle unser Leben beeinflussen. Das ist ein Thema, das mich sowieso brennend interessiert. Hast du dich nicht auch schon mal gefragt, wie dein Leben verlaufen wäre, wenn…?

Beim zweiten Lesen habe ich noch viel mehr Details und Zusammenhänge bemerkt. Und auch wenn ich ja eigentlich wusste, wie die jeweiligen vier Geschichten ausgehen, habe ich doch wieder mitgefiebert. Dieses Buch kann man definitiv auch drei- oder viermal lesen und ich kann es nur jedem empfehlen, der sich mit Schicksal, Zufall und dem Leben an sich auseinandersetzt.

Mein „Doppeltlese“-Plan für 2020

Weitere Bücher, die auf meiner Liste stehen, noch einmal gelesen zu werden, sind:

  • Das achte Leben von Nino Haratischwili
  • Schlafen werden wir später von Zsuzsa Bánk
  • A little life von Hanya Yanagihara
  • The Year of the Runaways von Sunjeev Sahota

Diese Bücher haben mich schon beim ersten Lesen fasziniert, also möchte ich ihnen noch eine zweite Chance geben, mein Leben positiv zu beeinflussen.

Und wie sieht es bei dir aus? Welche Bücher würdest du gerne noch einmal lesen, um darin tiefer einzutauchen und langfristig mehr für ein gutes Leben mitzunehmen?

Persönliches Fazit: Ein guter Impuls, aber keine Kasteiung

Dobellis Impuls, gute Bücher noch einmal zu lesen, finde ich grundsätzlich sehr gut. Ob man dadurch gleich ein besseres Leben führt, weiß ich nicht. Das kommt sicher auch auf die Bücher an, die wir zweimal lesen und auch darauf, was wir unter einem guten Leben verstehen. Aber eine gute Inspiration ist dieser Tipp von Rolf Dobelli meiner Meinung nach allemal.

Mir allerdings eine Maximalanzahl von Büchern pro Jahr zu setzen, das ist nichts für mich. Das schränkt mich zu sehr ein. Lieber nehme ich mir vor, pro Jahr mindestens zwei Bücher doppelt zu lesen.

Eine weitere Frage, die sich auftut, betrifft die Nicht-Leser. Es gibt ja Menschen, die lesen kaum Bücher. Fehlt ihnen dann was zu einem guten Leben? Aus Sicht der Leseratte wahrscheinlich schon, doch würde ich das nicht zu sehr verallgemeinern.

Es gibt schließlich auch andere Möglichkeiten für Menschen, sich andere Perspektiven anzueignen und damit das eigene Sichtfeld zu erweitern. Zum Beispiel, in dem man sich gute Filme ansieht, mit offenen Augen durch die Gegend läuft und mit Menschen intensive Gespräche führt. Auch das ist meiner Meinung nach ratsam, um ein gutes Leben zu führen.

Weitere Tipps von Rolf Debelli zum Führen eines guten Lebens findet ihr im Buch selbst oder hier: Lieber flexibel oder stur?

Und falls ihr mir jetzt gute Bücher empfehlen wollt, die eure Sichtweise erweitert haben und die es sich eurer Meinung nach sogar lohnt, noch einmal zu lesen, dann schreibt mir gerne eine E-Mail.