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„Weniger ist oft mehr.“ Wer hat diesen Spruch noch nicht gehört? Doch stimmt er wirklich? Können wir glücklicher werden, indem wir weniger Geld haben, weniger konsumieren, weniger Luxus haben? Können wir uns überhaupt an weniger wieder gewöhnen, wo wir doch schon mehr hatten?

Aus diversen Gründen haben mein Mann und ich seit einigen Monaten nur einen winzigen Spiegel in unserem Badezimmer. Ein billiger Spiegel, der an einem Kabel hängt. Ein Provisorium, das länger andauert als erwartet. Was anfangs fast unmöglich war, funktioniert wider Erwarten. Der Spiegel hat immerhin zwei Seiten: eine normale und einen Vergrößerungsspiegel. Mein Mann dreht ihn immer auf die eine Seite – und ich öfter auch auf die andere. Ich schminke mich damit, föhne mir meine Haare, und ja, ich habe sie sogar schon getönt – mit diesem Winzigspiegel. Ehrlicherweise muss ich gestehen, dass wir im Flur noch einen Ganzkörperspiegel haben. Aber den bräuchten wir auch, wenn im Badezimmer endlich unser neuer Spiegelschrank hängen würde… Oder könnten wir sogar leben, ohne uns von oben bis unten betrachten zu können? Nein, das geht dann doch zu weit.

Doch was will ich dir damit sagen? Ich glaube, manchmal brauchen wir weniger, um glücklich zu sein als wir denken. Zumindest weniger Geld und materielle Dinge. Dass weniger oft mehr ist, hat die eine oder der andere sicher auch in der Corona-Krise erlebt.

Corona-Krise als Chance?

Seit mehr als 1 ½ Jahren leben wir in der Pandemie. In dieser Zeit mussten wir lernen, dass wir auch mit einem Mund-Nasen-Schutz atmen und sprechen können, dass das Reduzieren von Kontakten zwar erst weh tut, aber manchmal sogar Erleichterung bringt.

Wir hatten während der „Lockdowns“ weniger Möglichkeiten zu sozialen Events und waren mehr auf uns gestellt. Wir hatten weniger Freizeitstress. Wir haben wahrscheinlich auch weniger Geld ausgegeben, ich jedenfalls. Wir haben mehr Rücksicht genommen und waren geduldig – gezwungenermaßen.

Keiner von uns wollte diese Pandemie. Viele Menschen sind daran gestorben. Viele konnten sich nicht angemessen von ihren Liebsten verabschieden. Manche Unternehmen mussten aufgeben. Menschen haben ihre Arbeitsstelle verloren. Die Corona-Pandemie hat Wunden hinterlassen und fordert gerade jetzt wieder sehr viel von uns. Wie ist es dir ergangen?

Und trotzdem gibt es keine Krise ohne eine Chance. Eine Chance der Corona-Pandemie ist, dass wir erkennen, wie gut wir es vorher hatten, aber dass es auch mit weniger ganz gut funktioniert. Zum Beispiel mit einem provisorischen kleinen Spiegel, der an einem Kabel hängt. Auch wenn das gar nichts mit der Corona-Pandemie zu tun hat. Und wenn dann alles wieder geht, wäre es schön, etwas Dankbarkeit in das neue alte Leben mit hinüberzuretten.

Trend Downsizing und meine Erwartungen damit

Und die wichtigste Erkenntnis, die wir gewinnen können: Weniger ist in unserer Luxusgesellschaft oft mehr. Das nennt man dann auch „Downsizing“.

Vor mehr als einem Jahrzehnt habe ich das Downsizing schon einmal praktiziert: Ich habe eine sehr gut bezahlte Arbeitsstelle aufgegeben und mir eine kleine Auszeit gegönnt. Dann habe ich eine wesentlich schlechter bezahlte neue Arbeitsstelle angenommen, die mir aber viel mehr Spaß bereitet hat. Das Ganze hat mich im Jahr knapp 20.000 Euro gekostet – netto wohlgemerkt.

Für 20.000 Euro kann man sich viel kaufen. Und doch kam ich finanziell mit 20.000 Euro weniger sehr gut zurecht und war in der neuen Arbeitsstelle sehr viel glücklicher. Dort blieb ich, bis ich mich fünf Jahre später selbstständig machte. Das war dann ein weiteres Downsizing – zumindest die ersten zwei Jahre, in dem ich fast nichts verdiente.

Meine persönlichen Erfahrungen aus meiner bisherigen Lebensgeschichte

Folgendes habe ich also bereits vor langer Zeit gelernt oder aber es wurde mir spätestens in der Corona-Krise klar:

  • Ich komme auch mit viel weniger Geld gut aus. Viel besser als ich es vorher dachte. Und das sogar in München.
  • Es reicht, wenn ich wenige Freunde habe und treffe, aber dafür die richtigen.
  • Essen gehen ist bereichernd und bequem. Aber ich kann auch selber kochen oder mich von meinem Mann oder Freunden bekochen lassen. Das macht auch Spaß und erdet mich mehr.
  • Weit reisen ist schön und spannend. Doch nähere Reiseziele in Deutschland und Europa können mir auch schöne Ferien bereiten – zumindest wenn das Wetter mitspielt. Und nachhaltiger ist es außerdem noch.
  • Luxushotels sind herrlich, doch Ferienwohnungen haben auch ihre Vorzüge. Da kann ich nämlich aufstehen, wann ich will, herumlaufen, wie ich will, verpasse kein Frühstück und werde von keiner Putzfrau gestört. Manche sind in der letzten Zeit auch ganz auf Camping umgestiegen.
  • Sport kann auch bedeuten, im Park zu joggen oder zu walken. Oder sich das Fitnessprogramm über ein Video nach Hause zu holen. Es muss nicht immer das teure Fitnesscenter sein.
  • Eine Arbeit, die weniger Geld bringt, aber mehr Sinn und Bereicherung ist viel besser als der gutbezahlte, aber sinnlos empfundene „Arbeitswahnsinn“.

Fazit: Weniger ist oft mehr

Downsizing ist möglich. Denn der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Und was ich vorher nicht so wusste: Wir gewöhnen uns sogar daran, weniger Geld, weniger Platz, weniger Spielraum, weniger Action, weniger Kontakte zu haben. Wenn wir dafür mehr Zeit für anderes haben, das uns wichtig ist, dann haben wir damit sogar gewonnen.

Versteh mich nicht falsch: Auch ich möchte, dass die Corona-Pandemie möglichst schnell ein Ende hat. Ich freue mich schon wieder auf ungestörten Kinogenuss, Toastmaster-Abende ganz ohne Maske und eine Fernreise nach Asien. Und auf das unbesorgte Begrüßen meiner Teilnehmenden per Handschlag in meinen Coachings und Seminaren.

Und bald haben wir sicher auch den passenden Diamantbohrer, um unseren neuen Spiegelschrank im Badezimmer anzubringen. Dann geht das Haareföhnen noch bequemer. Und ich werde den großen Spiegel erst mal als fantastischen Luxus empfinden und mich daran erfreuen. Bis ich mich wieder daran gewöhnt habe.

Doch manches werde ich hoffentlich auch in Zukunft nicht mehr brauchen – und das ist eine große Befreiung. Überleg doch mal: Wo könntest du downsizen? Wo ist bei dir weniger mehr? Benötigst du wirklich das ganze Geld, das du in deinem derzeitigen Beruf verdienst? Die neue größere Wohnung? Die neue Winterjacke, obwohl die vom letzten Jahr es auch noch tut? Das neue Handy?

Wichtig ist, dass du dir klar machst, was in deinem Leben wirklich zählt und worauf du am Ende deines Lebens mit Stolz und Dankbarkeit blicken willst. Vielleicht sind es dann ja gar nicht das große Haus, die neuen modischen Klamotten, die vielen Geschenke für die Kinder oder die vielen Fernreisen, sondern eher die Zeit für die Familie, die Kinder, den Partner, die beste Freundin, das Hobby,…

Lebe, was dir wichtig ist! Ja, ich bin davon überzeugt: Weniger ist oft mehr!