Ist Ihr momentaner Kummer und Ärger es wirklich wert, sich unendlich lange darüber aufzuregen und mit Ihrem Schicksal zu hadern? Sind Sie sich wirklich sicher?
Sie sind traurig, verärgert, wütend, enttäuscht, neidisch? Sie können sich mit Ihrer Situation nicht abfinden, finden das Leben ungerecht? Wir alle kennen diese Gefühle und es ist völlig normal und in Ordnung, diese Gefühle zu haben, solange sie angemessen sind. Doch was ist eigentlich angemessen?
Was muss passieren, damit Sie sich Ihren momentanen Ärger bzw. diese kleine oder große Krise im Leben nicht mehr so zu Herzen nehmen? Wie viel Zeit muss vergehen, bis Sie das Leben wieder genießen können? Sie verstehen nicht genau, was ich meine? Nun, lassen Sie mich dazu eine Geschichte aus meinem Leben erzählen. Folgende Geschichte ist unglaublich, aber wahr, auch wenn ich es mir anders wünschte…
… Vor ein paar Wochen noch habe ich mich maßlos geärgert über meinen neuen Telekommunikationsanbieter sowie meinen Notebookhersteller. Sämtliche Daten und Programme vom Notebook mussten irgendwie wiederhergestellt werden, und einige Tage war ich telefonisch für Kunden überhaupt nicht erreichbar, da die Portierung von Telefonnummern über den Router und der ISDN-Telefonanlage irgendwie nicht funktionierte. Viele Stunden lang hing ich verzweifelt in Warteschleifen der kostenlosen Telefon-Hotlines. Immer wieder sprach ich mit anderen scheinbar Experten, die sehr kreativ waren, mir immer wieder zu etwas anderem rieten und nicht zu ahnen schienen, was ihr Kollege alles schon mit mir besprochen und getestet hatte.
Viele Stunden meines Lebens, die ich am Telefon und am Computer verplemperte. In Gedanken schrieb ich bereits lange Beschwerdebriefe. Ich ärgerte mich wirklich maßlos und die liegengebliebene Arbeit häufte sich – zumindest virtuell. In meinem Kopf entstand ein unheimlicher Druck von unerledigten Aufgaben. Ich war schlecht gelaunt, genervt und konnte das Schöne um mich herum kaum wahrnehmen.
Zwischendurch musste ich immer mal wieder an mein Bildungspatenkind Jasmin denken, die ich seit ungefähr neun Monaten in der ersten Klasse begleitete und der ich bei den Schulaufgaben half. Seit Ferienbeginn hatten wir uns jetzt schon nicht mehr gesehen. Ich war im Urlaub in Italien, sie mit ihrer Familie in der Türkei. Die Kleine war mir in der kurzen Zeit wirklich sehr ans Herz gewachsen und ich hatte ihr bei unserem letzten Treffen versprechen müssen, ihr Ohrringe mit Sternchen mitzubringen. Sie glauben gar nicht, in wie vielen Läden ich in Italien vergeblich nach diesen Ohrringen suchen musste, bevor ich endlich fündig wurde. Im Gegenzug versprach sie mir eine Karte aus der Türkei und sogar ein Armband. Davon ließ sie sich nicht abbringen.
Aus dem Italienurlaub zurück wartete ich jeden Tag auf diese Karte und ein Lebenszeichen von Jasmin und ihrer Mutter Hafida, die eigentlich schon aus der Türkei zurück sein mussten. Doch die Ferien neigten sich dem Ende zu, und ich hörte nichts. Auch die versprochene Karte landete nie in meinem Briefkasten. Zugegeben, ich war schon ein wenig enttäuscht. „Aber gut, das mit der Karte haben sie halt vergessen, und Ferien sind natürlich wichtiger für Kinder als alles andere“, so redete ich mir gut zu. „Da hat man nicht unbedingt Lust zu lernen und sich für die zweite Klasse vorzubereiten“.
Währenddessen ärgerte ich mich also mit der Technik rum und hatte meine eben noch frische Urlaubserholung längst hinter mich gelassen. Das miserable Wetter in München passte perfekt zu meiner Stimmung. Ich badete in schlechter Laune.
Dann – kurz vor Ferienende – bekam ich abends einen Anruf von einer Dame der Organisation, durch die ich die Bildungspatenschaft für Jasmin vermittelt bekommen hatte: „Guten Abend, wir kennen uns persönlich noch nicht, doch Ihre Ansprechpartnerin ist im Urlaub und ich wollte Sie trotz der Ferien so schnell wie möglich informieren.“ „Was ist denn los?“, fragte ich ahnungslos.
„Sie haben vielleicht in der Presse gelesen, dass es hier im Stadtteil einen Mord gegeben hat?“
Ich: „Waas? Um Gottes willen, nein, davon habe ich nicht gehört!“ und erwartete, dass sie mir jetzt erzählen würde, dass ihre Organisation aus diesem Grunde erst zwei Wochen später wieder aufmachen würde oder irgendetwas in der Art…
„Sie sind ja die Bildungspatin von Jasmin. Leider war die Frau, die umgebracht wurde, Jasmins Mutter Hafida.“
„Waaaas? Nein, das kann doch nicht wahr sein, das ist ja entsetzlich!“ Ich schnappte nach Luft, versuchte, das Gehörte zu verarbeiten. „Um Himmels willen, die arme Hafida! Wie konnte das geschehen? Das kann doch nicht wahr sein! Und wie muss es der armen Jasmin wohl gehen, und ihrem kleinen Bruder, das ist ja furchtbar!“
Die Dame fuhr fort: „Ja, wirklich furchtbar. Laut Presseberichten wird der Ehemann verdächtigt, Jasmins Vater.“
„Waaas? Das kann doch nicht wahr sein, wie schrecklich!“ Und gleichzeitig dachte ich: „Dann hat Jasmin ja niemanden mehr! Hoffentlich ist den Kindern nichts geschehen. Hoffentlich haben sie es nicht mitbekommen! Was für eine Tragödie! Ich muss ihr sofort zu Hilfe eilen…“ „Wie geht es den Kindern? Was ist mit ihnen?“, brachte ich schließlich hervor.
„Leider ist der Vater mit den Kindern auf der Flucht!“
„Nein!!!!!!“ Ich wusste bis dahin gar nicht, wie schnell unermessliches Leid gesteigert werden kann! Schlimmer hätte es nun wirklich kaum noch kommen können.
„Hafida war wohl schon ein paar Wochen tot, bevor sie gefunden wurde“, fuhr die Dame fort, „und die Kripo vermutet, dass sich der Ehemann mit den Kindern ins Ausland abgesetzt hat. Es sieht ganz danach aus, als hätte er das langfristig geplant… Alle Welt dachte, die Familie sei im Urlaub…“
„…..“ Mir fehlten die Worte!
In kürzester Zeit brach eine Welt für mich zusammen. Wie gerne hätte ich jetzt noch stundenlang und unbedarft mit den Hotlines dieser Welt telefoniert, um mich auf das Ferienende und das Wiedersehen mit Jasmin freuen zu können. Warum musste das ausgerechnet MEINEM Patenkind passieren? Ausgerechnet mir? So nah wollte ich nie mit einem Mord in Berührung kommen! Ich hatte mir doch so viel Mühe gegeben mit Jasmin, hatte so viel Spaß mit ihr! Wir hatten doch so eine schöne Zeit zusammen. WARUM???
Der Gedanke, dass Jasmin jetzt mit dem Mörder ihrer Mutter in einem für sie fremden Land leben muss, dass sie total verängstigt ist und ihre Mutter furchtbar vermisst, dass ich sie nicht beschützen kann und sie vielleicht niemals wiedersehen werde, all das war mir unerträglich – und ist es immer noch. Was muss in ihr nur vorgehen? Wie gerne hätte ich sie vor diesem Leid bewahrt. Doch als ich aus Italien zurückkam, mich über Technik und Hotlines ärgerte und auf eine Karte aus der Türkei wartete, lag Hafida schon tot in ihrer Wohnung und der Vater war mit den Kindern bereits über alle Berge.
Der Gedanke an Jasmin und ihrem schrecklichen Schicksal macht mir immer noch großen Kummer, doch auch wenn ich mir wünschte, mit so einem schrecklichen Ereignis niemals in Berührung gekommen zu sein, so bin ich auch dankbar für die vielen schönen Momente, die ich mit ihr hatte und hoffe, dass die Situation für sie nicht ganz so unerträglich ist, wie ich sie mir gerade vorstelle. Und ich bin dankbar für das, was ich trotzdem noch habe: einen lieben Ehemann, tolle Freunde, ein schönes Zuhause, meinen Traumjob, meine Gesundheit…
Wenn Sie sich also gerade maßlos ärgern oder gar mit sich und ihrem Schicksal hadern, fragen Sie sich doch mal ganz ehrlich: Ist es wirklich so schlimm? Kann es wirklich kaum noch schlimmer kommen? Gibt es wirklich kaum Menschen, die Ähnliches oder gar Schlimmeres erlebt haben? Wofür sind Sie trotzdem noch dankbar, was gibt Ihnen noch Halt und was tun Sie dafür, dieses Schöne in Ihrem Leben zu nähren und zu erhalten? Warum ist das Schöne dieser Welt immer so lange einfach nur selbstverständlich, nicht der Rede wert, bis uns das Schicksal eines besseren belehrt und wir uns dann verzweifelt danach zurücksehnen?
Eines habe ich durch diese Tragödie für mich gelernt: Ich darf nicht immer alles Schöne für selbstverständlich ansehen und mich nur nach immer mehr und mehr sehnen. Es ist auch wichtig, sich die Zeit zu nehmen, einmal innezuhalten und dankbar zu sein für das, was gut ist in unserem Leben.
Darum mein Tipp zum langen Wochenende: Schreiben Sie sich doch mal über mehrere Wochen hinweg jeden Tag auf, wofür Sie dankbar sind, auch das scheinbar Selbstverständliche. Psychologen haben in Studien nachgewiesen, dass diese Übung hilft, mehr Zufriedenheit und Dankbarkeit ins Leben zu bringen. Ärger und Trauer gehören zum Leben dazu. Doch sie sollten angemessen sein und uns nicht völlig undankbar und blind machen für die schönen Seiten unseres Lebens.
Und wenn Sie alleine nicht weiterkommen und Unterstützung von außen benötigen, vereinbaren Sie doch ruhig ein Einzelcoaching mit mir. Das Leben ist schön, trotz aller Widrigkeiten und Schicksalsschläge, die uns wiederfahren. Wir müssen nur unsere Augen dafür öffnen.