Kennt ihr das? Nie sind wir zufrieden mit uns und unserem Leben. Ständig gibt es etwas zu verbessern. Die Komfortzone sollen wir öfter verlassen, Neues entdecken, lebenslang lernen, uns zu einem besseren Menschen entwickeln. So suggerieren es uns auch viele Lebensratgeberbücher. Wir können alles erreichen, wenn wir es nur wollen. Doch werden wir so denn jemals zufrieden und glücklich?
Mehr Sport treiben, nur Bioprodukte essen, die perfekten Eltern sein, mehr Bücher lesen, weniger Fernsehen und aufs Smartphone schauen. Weniger Alkohol, uns einen besseren Job suchen, der uns mehr erfüllt, uns öfter mit Freunden treffen und uns mehr um unsere Eltern kümmern, sofern sie noch leben. Ein besserer Redner werden, besser kommunizieren, uns sozial engagieren. Die Liste ist schier endlos. Doch wo anfangen? Und wie den Schweinehund überwinden? Wie sieht unser erstrebenswertes Optimum überhaupt aus? Und können wir dieses Optimum realistischerweise überhaupt jemals erreichen?
Rainer Erlinger schrieb in der Süddeutschen Zeitung zum Jahreswechsel (30./31.12.17/1.1.18) in einem Artikel mit der Überschrift „Einfach machen!“, dass gut zu sein in der Mitte zwischen zwei Extremen liegt. Die Tugend Tapferkeit zum Beispiel liegt laut Erlinger in der Mitte zwischen zwei Extremen: Feigheit und Draufgängertum.
Diese Behauptung möchte ich mit dem Wertequadrat von Schulz von Thun noch erweitern und ergänzen: Feigheit und Draufgängertum sind im Wertequadrat die Übertreibungen der positiven Werte Vorsicht und Mut.
Wenn die Vorsicht nicht mit dem positiven Gegenwert Tapferkeit bzw. Mut gepaart wird, verkommt sie schnell zur Feigheit. Und wenn der Tapferkeit nicht die Vorsicht zur Seite gestellt wird, wird diese schnell zur Übermut. Falls ich also zur Übermut neige, sollte ich daran arbeiten, ein gewisses Maß an gesunder Vorsicht zu entwickeln, um ein noch besserer Mensch zu werden. Neige ich zur Feigheit, sollte ich an meiner Tapferkeit arbeiten.
Wenn wir das auf einem Strahl darstellen, kann man auch sagen, dass Vorsicht und Tapferkeit in der Mitte liegen zwischen Feigheit und Übermut und deshalb die erstrebenswerten Ideale sind.
Mithilfe des Wertequadrats kommen wir schnell unseren Entwicklungspotenzialen auf die Spur. Doch vor lauter Selbstoptimierungswahn können wir auch schnell unglücklich werden. Denn perfekt sind wir sowieso nie. Und da wir nie perfekt sein werden, werden wir also auch nie zufrieden sein mit dem, was ist. Ist das Streben nach Weiterentwicklung, das Streben hin zu einem besseren Menschen also völlig kontraproduktiv zu unserem Bedürfnis, glücklich und zufrieden zu sein?
Nun, auch hier kann man das Wertequadrat zu Hilfe ziehen. Perfektionismus und Optimierungswahn machen uns schnell unglücklich. Stillstand und Passivität auf der anderen Seite bringen uns jedoch auch keine glücklichmachenden Erfolgserlebnisse. Ein gewisses Maß an Strebsamkeit gepaart mit Genügsamkeit dagegen kann uns zufrieden machen und gleichzeitig Glücksmomente bringen, wenn wir wieder mal unsere Komfortzone verlassen und uns weiterentwickelt haben.
Also, leider gibt es meiner Meinung nach keine einfache Antwort darauf, ob ich einfach alles so lasse, wie es ist oder mich und mein Leben immer weiter optimiere. Die Antwort liegt in der Mitte und ist damit ein delikater Blanceakt.
Diese Glücksformel beinhaltet ein sorgsames Abwägen, was mich wirklich weiterbringt und mir wichtig ist. Denn Schwächen werden wir immer haben. Das gehört zum Menschsein dazu. Hier kommen unsere persönlichen Werte mit ins Spiel. Denn jedem Menschen ist etwas anderes wichtig, jeder Mensch hat andere Bedürfnisse. Kennst du deine wichtigsten Lebenswerte? Was ist dir am wichtigsten, was am zweitwichtigsten und so weiter?
Und wenn du nun anhand von Wertequadraten und deiner persönlichen Werteskala fünf Sachen gefunden hast, die du gerne optimieren möchtest? Fünf Sachen, die dir wirklich sehr wichtig sind und die du verändern möchtest? Dann konzentriere dich erst mal auf ein bis zwei Sachen und gehe viele kleine Schritte, am besten täglich, um die Veränderung in deinen Alltag zu integrieren. Nimm dir bloß nicht zu viel auf einmal vor, denn Veränderung kostet Engergie und unsere Energie ist begrenzt. Gerne unterstütze ich euch als Life-Coach bei euren Vorhaben, zum Beispiel, wenn ihr herausfinden wollt, was euch wirklich ist und wie ihr ein Vorhaben Schritt für Schritt im Alltag umsetzen könnt.
Hier möchte ich auch auf folgende vergangene Blogbeiträge verweisen, die zum Thema passen: „Perfektes Leben – perfektes Glück?“, „Das ganz normale Leben, oder wenn die Konfortzone gut genug ist“ und „Gute Vorsätze – alles zwecklos?“ .
Und jetzt wünsche ich euch ein tolles Jahr 2018 und viel Erfolg bei eurer Weiterentwicklung – ganz ohne Optimierungswahn.